Ein Berg, viele

2020 Schauspiel Leipzig Autorin Magdalena Schrefel Regie Pia Richter Bühne & Kostüme Julia Nussbaumer Dramaturgie Marleen Ilg Licht Thomas Kalz Theaterpädagogische Betreuung Babette Büchele Mit Paulina Bittner / Thomas Braungardt / Anne Cathrin Buhtz / Patrick Isermeyer

Gewinnerstück des Kleist-Förderpreises für junge Dramatikerinnen und Dramatiker 2020
//Eingeladen zum Heidelberger Stückemarkt 2021

Pearl ist eine ambitionierte Dokumentarfilmerin. Für ihren aktuellen Film arbeitet sie an zwei parallelen Plots. Der eine spielt im England des 18. Jahrhunderts. Dort erfindet ein Geograph ein Gebirge und versucht so den Verlauf des Niger zu erklären. Er nennt es „Kong“ und füllt mit ihm den letzten weißen Fleck auf der Karte des afrikanischen Kontinents. Der ferne Ort ist nun vermessen und der Ruhm des Geographen wächst. Aber keine Reise kann von den Kong-Bergen berichten. Trotzdem behauptet sich die europäische Autorität weiter, wo vor Ort längst keine Zweifel mehr bestehen.

Im Heute macht sich Pearl auf an die Ränder Europas. An der Schwelle eines informellen Staates „Berg Kong“ trifft sie auf einen Grenzwächter. Er verwehrt ihr zwar den Zutritt, wird aber zur zentralen Begegnung ihrer Recherche. In seiner Geschichte findet Pearl den Stoff ihrer Reportage. Seine Schicksalsschläge sind das Futter ihres Filmmaterials.

Im Gegenüber beider Erzählstränge, zwischen Afrika und Europa, wird eine fortlaufende, (post)koloniale Wirkweise erkennbar. Die Geschichte dieser Dynamik wird bis heute vor allem aus einem Blickwinkel erzählt. Magdalena Schrefel bildet in „Ein Berg, viele“ die Dominanz der einen Erzählung ab und erhält dafür den Kleist-Förderpreis für junge Dramatikerinnen und Dramatiker 2020.

 Pressestimmen

„In der Uraufführung von Regisseurin Pia Richter spielen die Schauspielerinnen und Schauspieler Paulina Bittner, Thomas Braungardt, Anne Cathrin Buhtz und Patrick Isermeyer alle Rollen abwechselnd. Jeder ist mal jede. Mal Filmerin, mal Gefilmter. […] Mal Europäer, mal Afrikaner. Mal Kind, mal Erwachsener. Eine gelungene inszenierte Metapher für den Zufall der Geburt. In schnellen Wechseln überzeugen die Schauspieler in diesen Charakteren, in die sich die Zuschauer trotz der permanent wechselnden Rollenverteilung immer wieder neu reindenken können.“

 Nachtkritik

„Die europäischen und postkolonialen Blicke auf Afrika – und der Blick eines moralisch-kritischen Zeitgeistes auf diese Blicke: An der Oberfläche bedient ‚Ein Berg, viele‘ einen sehr aktuellen Diskurs. […] Spannender aber ist das Stück unter einem anderen Aspekt: Dem auch selbstzweifelnden Suchen danach, was denn diese Abbild-Maschine Kunst überhaupt über ‚die Wirklichkeit‘ aussagen kann. […] Die Travestie-hafte Künstlichkeit, mit der ‚Ein Berg, viele‘ auf die Bühne fand, ist in diesem Kontext auch als Symptom der Hilflosigkeit lesbar. Hier allerdings einer, die einnimmt.“

 LVZ

„Die Inszenierung von Pia Richter unterläuft und akzentuiert das Problem von Identität und Zuschreibung, indem sie ihre vier Schauspieler*innen in rosa Einheitskleidchen und Perücken steckt – und die Rollen fleißig wechseln lässt, zwischen Geograph, dessen Kindern, Köchin, Butler, Fernsehteam und einem Ismael, der auch eine Projektion sein kann. […] [D]en Zweifel und das Unbehagen, die das Stück sät, löst der Abend nicht auf, man nimmt sie mit nach Hause. Und wird den nächsten Fernsehbericht – und auch diesen Bericht – mit mehr Vorsicht genießen.“

 Märkische Oderzeitung

„Ein bisschen Oscar-Glamour fährt Regisseurin Pia Richter auf, dazu eine lange, gescheite Abhandlung über die „Verfertigung des Schiffes im Segeln“. Diese Persiflage in dem Stück und dessen Inszenierung wollen vor allem eines: „mehrere Ebenen und Sichtachsen“ bieten, auf die Welt, deren Abbild und auf uns, die wir dieses Abbild für die Welt nehmen.(…)Dabei gelingen Pia Richter bei ihrem Regiedebüt durchaus eindrucksvolle Szenen.“

 Deutsche Bühne online